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Kölner Stadtanzeiger 10.12.2008

Der Pater scheut keine Konfrontation

Mit seinen Bildern ist er auf der Suche nach den letzten Gründen des Seins

Von Uli Kreikebaum, 14.11.08, 10:20h
Er ist Pater und Psychoanalytiker, Rebell und selbst ernannter Pop-Romantiker: Heinz Sand aus Dormagen-Knechtsteden entwirft Kunst am Computer.Zwischen Kunst und Kirche: Pater Heinz Sand gestaltet seine Bilder am Computer. BILD: KREIKEBAUM

Dormagen - Auf dem Tisch ein Becher mit Zigarettenstummeln und kalter Kaffee, es riecht nach arbeitsreicher Nacht. Der Hausherr hinkt und lacht. Es komme vor, dass er 24 Stunden vor dem Rechner sitze, sagt Pater Heinz Sand, zündet sich eine Zigarette an und saugt den Qualm so gierig ein, als gehe es ums Überleben. „Zur Diaschau Beethoven, Händel oder lieber was Modernes?“ Sand wählt Händel, auf dem Monitor erscheinen knallbunte Bilder auf schwarzem Grund. Mythisch, surreal. Sand fährt sich durchs zerzauste Haar und weist auf den Bildschirm.

Die Bildsprache der Bibel ist Ausgangspunkt und Antrieb für seine Werke. Mariä Aufnahme in den Himmel, computeranimierte Gesichter mit Heiligenschein, an Stelle des Herzens findet sich eine CD. „Die CD ist die Sonne von heute“, sagt der Pater. Computerteile verwende er, um „die geistigen Leistungen von Tausenden Wissenschaftlern in den Bildern festzuhalten“. Ein Priester verbindet Pop-Kultur mit Religion, Computer-Animationen mit Heiligenbildern. Darf der das? Was sagt das Bistum dazu? „Nichts“, sagt Sand, „kein Problem.“ Seine Augen blitzen angriffslustig. Die Tage, als seine Kunst als Blasphemie bezeichnet worden wäre, seien lang vorbei. Wer die Bibel heute noch wörtlich auslege, gelte auch in der katholischen Kirche als überholt, „irgendwann werden wir eine Päpstin haben, das weiß der Heilige Vater bloß noch nicht“. Sagt es und zündet sich eine an.

Pater Heinz Sand scheut keine Provokation, auch nicht den Vergleich mit großen Namen. Seine Werke bezeichnet er als „in dieser Form einzigartig, aber in der Tradition Max Ernsts“. Wenn er sich als „Pop-Romantiker“ beschreibt, lässt er Namen wie Nietzsche, Hölderlin oder Thomas Mann fallen. Sobald man glaubt, hier habe einer schwer mit seiner Hybris zu kämpfen, lockt der Mensch einen ins andere Extrem. Es liege ihm nichts daran, Geld zu verdienen mit seinen Bildern, sagt er - und das, obwohl die Presse seine erste Ausstellung hymnisch lobte und sich schnell Käufer fanden.

Pater Heinz Sand spielt gern, mit Worten wie Bildern. So malte er ein grelles Marienbildnis mit Zigarettenkippe und einer kleinen, schwarzen Hexe, als er mal wieder versuchte, sich das Rauchen abzugewöhnen. Selbstironie statt Nietzsche-Vergleich.

Dass Pater Sand anderen nichts mehr beweisen muss, hängt mit seinem Lebenslauf zusammen. Mit vier Jahren bemalt Klein-Heinz die heimische Küche - seine Mutter findet es toll und macht mit. In der Volksschule sagt ihm ein Kumpel, dass er nach Afrika wolle. Heinz will auch. Statt in Afrika landet er im katholischen Internat von Speyer. Nach der mittleren Reife wechselt er ans Spiritaner-Internat. Feurig spricht Sand heute vom „Sturm und Drang der Jugend“, seinem Lieblingsthema auch in der Kunst, und lässt die Glut abrupt wieder erlöschen: „Die Frage, einer Liebe nachzugehen, hat sich nach dem Wechsel zu den Spiritanern nicht mehr gestellt. Das war damals einfach so.“

Nach dem Abitur studiert Sand Theologie, absolviert das Noviziat und fällt bei einer Abschlussprüfung mit seiner Schlagfertigkeit so angenehm auf, dass die Spiritaner große Stücke auf ihn halten und ihn in die „Bischofsschmiede“ zum Zweiten Vatikanischen Konzil in Rom schicken. Nach gut zwei Jahren zurück in Deutschland, empfängt Heinz Sand 1967 im Dom zu Speyer die Priesterweihe. Noch immer will er nach Afrika. Stattdessen schickt man ihn als Studentenpfarrer nach Sao Paolo („Ein Mann mit 3000 Studentinnen, da war ich der Hahn im Korb“), dann an den Oberlauf des Amazonas.

Ein Heimaturlaub führt ihn nach Innsbruck. Ein Freund schwärmt von der Pastoralpsychologie, doch Sand entdeckt die Psychoanalyse für sich. Als er nach Speyer zurückkehrt, hat er sich „von der Kirche zu weit entfernt, um predigen zu können“, und macht eine psychoanalytische Praxis auf. 17 Jahre lang behandelt Sand Nonnen, Priester, aber auch Menschen, die nichts mit der Kirche zu tun haben.

Vor 14 Jahren hat Heinz Sand sich wieder der Kirche zugewandt. In Knechtsteden kümmert er sich seither um das ethnologische Museum, führt Gruppen durch Kloster und Kirche und hält jeden Samstag eine Messe vor treuem Stammpublikum. Meistens aber sitzt er an seinen Bildern, die er als Aquarelle entwirft, in den Computer einscannt und dort verfremdet.

Sich selbst muss Pater Heinz Sand nach wie vor eine ganze Menge beweisen. Er sucht mit seinen Bildern nicht weniger als nach den „letzten Gründen des Seins“, dem „intimst möglichen Zugang zum eigenen Seelenleben“. Eine Aufgabe, bei der an Schlaf und Bewegung nicht zu denken ist. Sein Fuß sei geschwollen, weil er sich zu wenig bewegt habe, habe der Arzt gemeint, sagt Sand beiläufig, und steckt sich noch eine an. „Ich müsste mal mehr laufen, aber es gibt so viel zu tun.“

 

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